DER BLUTEGEL
Spricht man vom Blutegel, hört man meist dasselbe: glitschig, schwarz, blutrünstig, einfach eklig. Das ist die gängige Reaktion, wenn man mit Blutegeln konfrontiert wird. Aber, wie so oft bei Vorurteilen: sie stimmen so nicht! Blutegel sind farbig, elegante Schwimmer, ungefährlich und gar nicht eklig.
Und sie helfen - so gut, dass seit vielen Jahrtausenden Menschen und Tiere sich ihre Heilkünste zu Nutze machen!
Tiere wissen instinktiv um die Heilkraft der Egel. So gehen z.B. Rinder, Wasserbüffel, Schafe und Pferde mit Gelenkproblemen ganz gezielt in Gewässer, in denen Blutegel leben, und warten geduldig, bis die kleinen Helfer sich ihre winzige Mahlzeit holen und zum Dank helfende Sekrete im Körper des Patienten hinterlassen.
Seit einigen Jahren kehrt das Bewusstsein auch beim Menschen zurück, dass Blutegel bei manchen Beschwerden sehr wirkungsvoll und nahezu frei von Nebenwirkungen helfen können. Vom Menschen kennen wir als Nebenwirkungen leichten Juckreiz und Rötung der Haut an der Bissstelle, Tiere dagegen scheint der Blutegelbiss nicht einmal zu jucken - im wahren Wortsinn. Insgesamt steht uns mit dem Blutegel ein extrem verträgliches Mittel mit nachgewiesener und lang anhaltender Wirkung zur Verfügung.
Das Wort "Egel" stammt übrigens von dem griechischen Wort echis = kleine Schlange. Manche vermuten sogar, dass die Schlange des Aeskulapstabes einen Egel darstellt, das ist aber sicher falsch. Er ist jedenfalls schon lange für seine Heilkräfte berühmt. Bei den Germanen wurde das Wort "Blutegel" z. B. nahezu synonym mit dem Wort "Heiler" verwendet. Dhanvantari, der indische Gott des Ayurveda, trägt einen Blutegel in einer seiner vier Hände, und im Englischen wurden die Heiler des Mittelalters als "leecher" [leech (engl.) = Blutegel] bezeichnet.
Inzwischen ist die Blutegeltherapie zum Gegenstand moderner Forschung geworden, die längst belegt hat, dass die Heilwirkung dieser Therapie nicht auf mittelalterlichem Aberglauben beruht.
Die rekonstruktive Chirurgie hat die sensiblen Blutsauger in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wiederentdeckt, als das abgerissene Ohr eines kleinen Jungen nur durch ihre Hilfe gerettet werden konnte. Die Blutegel sorgten mit ihren Sekreten dafür, dass der Blutfluss erhalten blieb, so dass das Ohr wieder anwachsen konnte. Seitdem erleben Blutegel eine Renaissance in der Heilkunst. Die moderne Biochemie hat eine Reihe von Wirksubstanzen und deren Wirkmechanismen im Blutegelspeichel aufgeklärt.
Einer dieser Blutegel-Wirkstoffe, das Hirudin, ist ein weltweit anerkanntes Arzneimittel, das bei verschiedenen Blutgerinnungsstörungen, u.a. bei Herzinfarkt, Verwendung findet.
Pferde, aber auch andere Tiere wie Hunde, Katzen usw. lassen sich übrigens von Blutegeln nicht irritieren, wehren sich auch nicht gegen den Biss oder versuchen, den kleinen Wurm wieder los zu werden. Sie wissen einfach instinktiv um die Heilkraft. Und selbst wenn sie mal nicht helfen: schaden tun sie jedenfalls nicht.
Unser Betrieb liegt am Ortsrand von Biebertal, nahe Gießen/Hessen. Hier werden medizinische Blutegel in etwa 40 naturnahen Teichen gehalten und gezüchtet. Falls es Sie interessiert, wie die Tiere bei uns leben, nehmen Sie per Mail Kontakt zu uns auf oder rufen Sie uns an und vereinbaren einen Termin. Wir zeigen Ihnen gerne, dass diese Tiere interessant und elegant sind.
Auf den folgenden Seiten finden Sie sicher interessante Informationen über dieses einzigartige Tier und Heilmittel, das schon seit einigen Jahren vom Gesetzgeber als Fertigarzneimittel eingestuft wird, ein deutlicher Hinweis auf seine Wirksamkeit.
Vorab stichpunktartig einige Fakten:
In den Speicheldrüsen der Egel sind hochwirksame Substanzen, aber
keine Krankheitserreger zu finden
Ihr Biss wird meist mit der Berührung einer Brennnessel verglichen
Überall, wo Blutegel vorkommen, werden sie von Mensch und Tier zur Heilung oder
Linderung genutzt
Blutegel leben bis zu zwei Jahre von einer Mahlzeit
INDIKATIONEN UND WIRKUNGSWEISE
Die zunächst überraschend erscheinende Heilwirkung ist ein "kluger" Schachzug der Egel, denn damit fördern sie ihre wertvolle Ressource, die Säugetiere - das ist natürlich besser, als sie zu schädigen. Überspitzt ökologisch formuliert: ein schönes Beispiel für eine gelungene "nachhaltige Nutzung", für ein ausgewogenes Geben und Nehmen. Wissenschaft und Pharmaindustrie haben seit langem erkannt, welch komplexen und wunderbaren Wirkstoffcocktail die Evolution mit dem Blutegelspeichel hervorgebracht hat, der in geradezu "genialer" Weise in die komplizierte Gerinnungskaskade des Blutes eingreift, Thromben auflöst, Durchblutung und Lymphfluss fördert und entzündungshemmende sowie schmerzreduzierende Wirkung aufweist. Somit ergibt sich ein breiter Indikationsbereich:
Indikationen
Blutegel werden unter anderem eingesetzt bei:
Rheuma
Herpes Zoster (Gürtelrose)
Varikosis (Krampfadern)
Tinnitus
Thrombosen
Furunkeln und Karbunkeln
Nebenhöhlenentzündungen
Mandelabszess
Adnexitis, Parametritis
Brustdrüsenentzündung
Gallenblasenentzündung
Hodenentzündung
Phlebitis
Hypertonie
Arthrose (z.B. Knie oder Daumen)
Arthritis
Ulcus cruris
Sehnen-/Sehnenscheiden-
entzündungen
(Tennis-, Golfarm)
Apoplexie
Angina pectoris
Thrombophlebitis sowie bei Durchblutungsstörungen nach Gewebetransplantation (plastische und rekonstruktive Chirurgie).
Was tun Blutegel mit uns?
Zunächst einmal: der Biss eines Blutegels ist nicht schmerzhaft. Dies ist verständlich, denn Egel haben in der freien Natur kein Interesse daran, unangenehm bemerkt zu werden. Ob zur Schmerzlinderung ein Anästhetikum im Speichel enthalten ist, ist umstritten. Die Bisse werden wie "Brennesselstiche", "Mückenstiche", "ein leichtes Ziehen" oder "Einstiche von Injektionsnadeln" oder sogar als völlig schmerzfrei beschrieben. Ein im folgenden Verlauf mögliches, leichtes Jucken - ähnlich wie bei einem Mückenstich - geht auf histaminähnliche Substanzen zurück. Der Biss ist auch durch die Biss"technik" wenig schmerzhaft: 3 sternförmig angeordnete Sägeleisten mit jeweils ca. 80 Kalkzähnchen schneiden sich vorsichtig durch die Haut, um zum Ziel der Wünsche - dem Blut - zu gelangen. Zwischen den Kalkzähnchen sind Öffnungen, durch die die SALIVA, der Blutegelspeichel, abgegeben wird.
Wirksubstanzen
Die Saliva enthält folgende bisher identifizierte Substanzen:
Hirudin (der Name ist abgeleitet von Hirudo medicinalis = medizinischer Blutegel) gehört zu den Wirkstoffen des Blutegels, die als eigenständiges Arzneimittel in der Medizin eingesetzt werden.
Hirudin hemmt die Blutgerinnung und wird u.a. zur Behandlung des Herzinfarkts eingesetzt.
Calin hemmt ebenfalls die Blutgerinnung und bewirkt im Anschluss an das "schnelle" Hirudin die ca. 12 h dauernde Reinigung der Wunde durch Nachbluten. Es kommt zu dem bekannten, sanften Aderlass.
Bei dem 60-minütigen Saugakt ist es natürlich notwendig, die Wunde offen und das Blut fließfähig zu halten.
Beim Saugvorgang tritt auch der "Ausbreitungsfaktor", die Hyaluronidase, in Aktion: der Weg für die heilenden Substanzen wird durch Gewebe-Auflockerung vorbereitet. Dieser Wirkstoff findet in der Medizin als resorptionsfördernder Zusatz zu Infusions- und Injektionspräparaten (z.B. "Turbo-Anästhesie") Verwendung.
Egline und Bdelline wirken entzündungshemmend und schmerzlindernd.
Die einzigartige natürliche Wirkstoffkomposition der Saliva durch weitere Substanzen (z. B. Faktor X a-Hemmer, LDTI) abgerundet